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Fluchtpunkt Magdeburg

... auf dem Weg ins "Morgenland"

Text und Bilder: Jochen Gehle

Die interkulturelle Jugendtheatergruppe „Fluchtpunkt Magdeburg“ wurde im September 2015 auf Grundlage einer Förderung im Rahmen des „Modellprojekt Theaterpädagogik des Landes Sachsen-Anhalt“ gegründet. Das Ensemble setzt sich zu ungefähr gleichen Teilen aus deutschen Jugendlichen und jungen Geflüchteten zusammen. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Theaterarbeit steht die Entwicklung und Präsentation neuer Theaterstücke. Die erste Produktion „Fluchtstück“ (2016) befasste sich mit den autobiografischen Berichten deutscher Flüchtlinge zwischen 1945 und 1990. Im Jahr 2017 beschäftigten wir uns in unserem Stück „Die wunderbare Welt der Integration“ mit dem Thema „deutsche Leitkultur“. Beide Produktionen wurden zum jeweiligen „Schülertheatertreffen des Landes Sachsen-Anhalt (STT)“ eingeladen. Leider wurde unser Antrag auf weitere Förderung im Rahmen des „Modellprojekt Theaterpädagogik“ im Frühjahr 2018 abgelehnt.

Da niemand der Beteiligten „Fluchtpunkt Magdeburg“ einfach aufgeben wollte, entschlossen wir uns als Gruppenleitung dazu, unsere Arbeit zunächst ehrenamtlich fortzusetzen. Auch mit unserer diesjährigen Produktion „Morgenland“ wurden wir zum „STT“ eingeladen. In diesem Stück unternahmen wir eine Zeitreise in die Zukunft: Um die Abschiebung eines Ensemblemitgliedes zu verhindern, flüchtet die Gruppe mit Hilfe einer selbstgebauten Zeitmaschine in die Zukunft. Allerdings stolpert man von einer dystopischen Katastrophe in die nächste. Diktaturen, Zerstörung durch Umweltverschmutzung und Klimawandel, Kriegen und der Herrschaft von Maschinen muss das Ensemble entkommen um endlich, hundert Jahre später, in einer Gesellschaft zu landen, die perfekt ist. Allerdings entscheidet sich der von Abschiebung bedrohte Abdo dazu, zurück in die Ausgangszeit zu reisen, weil seine Freundin dort auf ihn wartet. Nach kurzer Diskussion beschließt das restliche Ensemble auch zurück zu gehen, um die Katastrophen, die man während der Reise gesehen hat, zu verhindern. „Daheim“ angekommen, stellt sich heraus, dass Abdo nicht mehr abgeschoben werden soll. Einem kurzen Jubel folgt Ernüchterung.... Abdo: Aber warum werde ich nicht abgeschoben? Muayad: Deine Heimat ist nicht sicher. Eben dieser Muayad war nach dem letzten Schülertheatertreffen (STT) im September 2017 zu seinem Bruder nach Wismar gezogen. Als er von unserer erneuten Teilnahme am STT erfuhr, fragte er sofort, ob es nicht eine Möglichkeit für ihn gäbe, dabei zu sein. Also beschlossen wir, ihn in das Stück einzubauen. Das bedeutete allerdings, dass wir erst einen Tag vor Beginn des STT die Möglichkeit hatten, mit allen Akteuren gemeinsam zu arbeiten. Doch es gelang dem Ensemble in beeindruckender Art und Weise zur Eröffnung des „26.Schülertheatertreffens des Landes Sachsen-Anhalt“ das Publikum zu erreichen, zum Lachen zu bringen und zu berühren. Die „Botschaft“ unserer gemeinsamen Arbeit spiegelt sich vielleicht in einem Monolog wieder, der kurz vor Ende von „Morgenland“ dreisprachig (arabisch/deutsch/englisch) vorgetragen und mit langanhaltendem Szenenapplaus bedacht wurde: früher gab es Länder früher gab es Länder, die waren ummauert, damit man nicht rauskam früher gab es Länder, die waren ummauert, damit man nicht reinkam früher gab es Länder, in denen durfte man nicht sagen, was man denkt früher gab es Länder, in denen durfte man nicht glauben, was man glaubt früher gab es Länder, in denen durfte man nicht lieben, wen man liebt früher gab es Länder, in denen durfte man nicht lieben, wie man liebt früher gab es Länder, die musste man verlassen, weil man ohne Zukunft war früher gab es Länder, die haben gegeneinander Krieg geführt früher gab es Länder, die haben Krieg geführt, gegen sich selbst früher gab es Länder, in denen sind Kinder verhungert früher gab es Länder, in denen haben sich Menschen totgeschlagen, weil ihre Götter verschiedene Namen trugen früher gab es Länder, in denen haben Menschen sich und andere in die Luft gesprengt, weil sie voller Hass und ohne Hoffnung waren früher gab es Länder heute sind wir Menschen





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