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Förderverein der Deutschen aus Russland e.V.

Website: https://www.vdr-lsa.de/
Adresse: Zur Saaleaue 51a, 06122 Halle (Saale)
E-Mail: verein@vdr-lsa.de
Kontakt: Anna Rausch
E-Mai.: rausch-ma@web.de
Handynummer: 0163 6008437

Text: Anna Rausch

Ein Teil der Gesellschaft
Verstanden zu werden ist ein unterschätztes Gut. Sprachlich, aber auch durch gemeinsame Erfahrungen. Oft können die Menschen besonders gut helfen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben - die wissen, wie sich bestimmte Situationen anfühlen.
Der Förderverein der Deutschen aus Russland Sachsen-Anhalt e.V. ist ein langjährig tätiger Verein, der im Bundesland integrative Arbeit für seine Mitglieder leistet - grundsätzlich für Deutsche aus Russland. Sie leisten dabei politische und kulturelle Arbeit und reagieren auch auf das, was gerade in der Gesellschaft passiert. So haben sie schon 2015/16 ihre Türen für Geflüchtete aus Syrien geöffnet.

Offene Türen für Geflüchtete
Mit dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 wurden sie wieder aktiv. Zehn Ehrenamtliche engagieren sich seitdem speziell für Geflüchtete aus der Ukraine. Angefangen auf Demonstrationen gegen den Krieg, halfen sie bald beim Sammeln von Spenden. Anna Rausch, die hauptberuflich Lehrerin ist, erzählt bei einem Gespräch über Zoom von der Arbeit des Vereins und warum sie sich so für Geflüchtete einsetzen. „Bei uns gibt es sehr viele Mitglieder, die Russlanddeutsche heißen, aber eigentlich aus der Ukraine stammen, weil Deutsche aus Russland ein Begriff ist, der historische Bedeutung hat. Das hat mit dem heutigen Russland überhaupt nichts zu tun.", erklärt sie. Bei ihnen im Verein seien eigentlich alle in der Sowjetunion aufgewachsen und die negative Rolle, die Russland jetzt in diesem Krieg spielt, mache sie alle betroffen.
Die Unterstützung fing zunächst klein an. Zum Beispiel haben sie einer Familie ermöglicht, ihr Kind auf die Schule zu schicken, an der Anna Rausch arbeitet. Es musste viel organisiert werden, unter anderem das Schulgeld, aber das Kind kann inzwischen die Schule besuchen und dort lernen. Weil aber nicht nur die Kinder lernen müssen, wurde Anna Rausch angefragt, ob sie nicht einen ersten Deutschkurs für ukrainische Frauen anbieten könnte. Zur ersten Infoveranstaltung kamen 20 Frauen - zu viele für einen einzigen Sprachkurs. Und obwohl sie eigentlich nicht die Kapazität für mehr als einen Kurs hatte, hat der Verein die Räumlichkeiten im Mehrgenerationenhaus Pusteblume in Halle-Neustadt organisiert und sie in der Woche zwei Kurse gehalten. Später erhielt sie Unterstützung von einer Kollegin, sodass sie gemeinsam die Kurse durchführen konnten.

Gleichzeitig haben die Mütter im Kurs angefragt, ob es nicht auch Angebote für ihre Kinder gäbe. Daraufhin hat Anna Rausch Gespräche mit Frank Michael Männicke geführt und sie haben gemeinsam Kaffeenachmittage organisiert, an denen die Kinder basteln und malen und die Frauen sich zwanglos mit ihm auf Deutsch unterhalten konnten. Das sollte ihnen die Angst nehmen, Deutsch zu sprechen.
Jugendliche als Sprachmittler
Mit dem Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland, der Jugendgruppe des Vereins, wurde schon vorab ein Ferienprogramm für Jugendliche entwickelt. Daran haben letztendlich auch einige ukrainische Kinder teilgenommen. „Der Vorteil von unseren Kindern ist natürlich, dass sie zweisprachig sind - sie sprechen alle russisch und deutsch.”, erzählt Anna Rausch. Sie reflektiert, dass durch die Kinder die Kontaktaufnahme zu den ukrainischen Familien viel leichter möglich war. Die Jugendlichen haben dann als Sprachmittler agiert und Familien zu behördlichen Terminen begleitet. Drei Jugendliche sind, wie Anna Rausch berichtet, quasi permanent im Einsatz und sehr engagiert. Sie unterstützen die erwachsenen Ehrenamtlichen, wo sie nur können.
Anna Rausch macht deutlich, dass zur Integration mehr gehört als Sprachkurse und Mülltrennung. „Ich mache bei uns im Verein oft Infoveranstaltungen zum Bildungssystem, zu Erziehungsfragen, so Familien- und Elternberatung, und wir haben unsere Kreise geöffnet und ich habe gesagt, es können alle kommen, die Lust und Interesse haben.", erzählt Anna Rausch zu ihrer Arbeit im Verein. Es wird auch über deutsche Traditionen und Geschichte gesprochen - insgesamt über viele kleine Dinge, die ihnen helfen, das Leben in Deutschland zu verstehen. Ihre Kursteilnehmerinnen seien gebildete Frauen, die in der Ukraine gute Jobs hatten. Sie sollen in Deutschland natürlich auch geistig auf einem Niveau arbeiten können, das ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten entspricht.

Gefestigte Strukturen und Kooperationspartner
Als langjähriger Verein haben sie das Glück, bereits feste Kooperationspartner zu haben, auf deren Unterstützung sie sich verlassen können. So sind sie zum Beispiel eng mit LAMSA e.V., dem Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen, verbunden. Sie arbeiten auch viel mit dem Landes Sportbund zusammen, der ein Programm namens „Integration durch Sport" hat, an dem ihre Vereinsmitglieder teilnehmen können. Auch in dem Bereich haben sie ihre Türen geöffnet und nehmen die Ukrainerinnen einfach mit - sei es zum Bogenschießen, Nordic Walking oder zum jährlichen Eislaufen. Was macht diese Art des Engagements so besonders? Anna Rausch erklärt, dass sie als Verein verhindern möchten, dass die Ukrainer:innen eine isolierte und geschlossene Gesellschaft innerhalb der restlichen Gesellschaft bilden. Sie sollen stattdessen die Möglichkeit haben, ein Teil zu werden und sich in die Gesellschaft einzubringen. Zwei junge Ukrainerinnen engagieren sich inzwischen ehrenamtlich im Förderverein und geben weiter, was sie bereits gelernt haben. Es sei wichtig, den Frauen auch eine Aufgabe zu geben, erzählt Anna Rausch.

Aufarbeitung von Vorurteilen
Natürlich stehen sie auch immer wieder vor Herausforderungen. Der Förderverein sieht sich ab und an Vorurteilen ausgesetzt, weil er das Wort „Russland" im Namen trägt. Einige scheinen sich daran so sehr zu stören oder davon so sehr betroffen zu sein, dass sie die angebotene Hilfe nur unter der Voraussetzung annehmen wollen, dass man mit ihnen auf ukrainisch spreche. Das können aber nicht alle im Verein leisten. Zu häufig werden sie mit der jetzigen Politik in Russland in Verbindung gebracht, obwohl sie keinerlei Bezug zu ihr haben. Die Kinder und Jugendlichen sind alle in Deutschland aufgewachsen, viele waren noch nie in Russland. Anna Rausch wünscht sich an dieser Stelle, dass diese Vorwürfe aufhören. Und wer die Hilfe nicht annehmen möchte, der kann sich dafür frei entscheiden.

„Im Großen und Ganzen sind die Menschen super dankbar.", sagt Anna Rausch im Anschluss. Sie erzählt von einer Frau, die nach ihrem Deutschkurs einen Sprachkurs in einer Sprachschule besuchen konnte und direkt als Dolmetscherin agieren konnte, weil sie schon so viel gelernt hatte. Das sind die Geschichten, die sie alle weiter antreiben. „Das Wichtigste ist, dass die Menschen sehen, dass ihnen geholfen wird und dass sie auch immer wieder mit Fragen kommen", sagte sie weiter. Immer wieder scheint das Motiv durch, dass sich die Ukrainer:innen bei ihnen aufgehoben und zugehörig fühlen, dass sie kommunikativ und offen bleiben sollen. Anna Rausch und viele ihrer Kolleg:innen wissen, wie es ist, in ein Land zu kommen, in dem ihnen niemand hilft anzukommen. Sie wissen um die Wichtigkeit dieser Angebote: „Wenn geholfen wird, werden Jahre der Integration einfach gespart".

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