Convoi of Hope
Ansprechpartner: David Strübing
Text: David Strübing
Hilfe, auf die man zählen kann
Es gibt Menschen, die wegschauen können, wenn schlimme Dinge passieren. Vielleicht ist es der innere Konflikt mit den eigenen Privilegien, vielleicht aber auch etwas ganz anderes. Deswegen ist es jedenfalls besonders wichtig, die Menschen vorzustellen, die nicht wegsehen können. Die sich stattdessen mit anderen zusammenschließen und organisieren, um zu helfen.
Der erste Hilferuf
David Strübing, ein Unternehmer aus Halle, erzählt am Telefon von der Arbeit seines Teams und ihrem “Convoi of Hope”. Im Rahmen dieses Projekts haben er, seine Familie und ein großes Netzwerk an Unterstützer:innen sowohl Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gebracht, als auch Spenden in die Ukraine. Ihre erste Fahrt unter dem Namen “Convoi of Hope” nahmen sie im März 2022 vor - mit 17 Autos und 35 Helfer:innen.
Das war aber nicht die erste Rettungsfahrt in die Ukraine, die sie angetreten sind. Kurz nach Kriegsausbruch bekam David einen Anruf eines Freundes, der ihm erzählte, seine Schwester stehe mit ihrem Kind an der ukrainischen Grenze und komme nicht hinüber. Kurzerhand fuhr er mit seinem Bruder Martin an die Grenze, um Mutter und Kind abzuholen. Nachdem sie die Situation vor Ort gesehen hatten, sagten sie sich, sie müssen noch einmal rüber, erzählt er. Es hat sich durch die gemeinsame Initiative keine feste Vereinigung gegründet, aber er sagt selbst, er habe einen relativ großen Bekanntenkreis - da findet sich immer Unterstützung. Und so ergab es sich, dass sie schon vor der ersten offiziellen Konvoi-Fahrt dreimal in die Ukraine fahren und helfen konnten.
Große Unterstützung macht’s möglich
Der Sattelzug, die Transporter, Kleinwagen und Hängerfahrzeuge, mit denen sie im März in die Ukraine fuhren, waren voll bepackt. Bei einer ihrer ersten privaten Fahrten hat das Team gesehen, wie viele Spenden zwar in bester Absicht, aber oft unkoordiniert in Grenznähe gebracht wurden. Weil es zu schade um die Spenden war, wollten sie die Sache organisierter angehen und nahmen daher Kontakt zum Katastrophenschutz und den zuständigen Stellen in der Ukraine auf. Dadurch konnten sie sich zum einen einem offiziellen Konvoi anschließen und mit an die Grenze fahren, die nämlich polizeilich und militärisch gesichert war. Zum anderen erfuhren sie über ihre neu geknüpften Kontakte in Lemberg, unter anderem mit der Caritas Ukraine, welche Spenden benötigt werden. Sie konzentrieren sich daher auf medizinische Güter, statt Lebensmittel- oder Kleiderspenden. Vor jeder neuen Fahrt fragte das Team an, was benötigt wird, sodass sie immer die passenden Dinge dabei hatten. In Halle begegneten sie einer großen Spendenbereitschaft und Anteilnahme der Menschen, welche sich nach der ersten Konvoi-Fahrt noch einmal steigerten.
Die Gruppe von Ehrenamtlichen brachte auch weiterhin Menschen aus der Ukraine nach Deutschland. Viele von ihnen waren bei dem Netzwerk vorangemeldet - sie wurden bei ihrer Ankunft in Deutschland von Bekannten oder Familienmitgliedern abgeholt. Die anderen Personen wurden in Halle und Leipzig untergebracht. In die Reihe der Unterstützer:innen gesellte sich damit auch der Hundesportverein aus Halle, der Geflüchtete bei sich aufgenommen hat. Die Spedition [...] und Sixt stellten Transporter zur Verfügung, mit denen das Team in die Ukraine fahren konnte, und das Bauunternehmen Papenburg AG stellte ihr Gelände als Sammelstelle für den Konvoi zur Verfügung. In besonderem Maße half auch die Berufsfeuerwehr Halle-Neustadt - David erzählt, sie hätten viel mit angepackt und ihnen immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
Wie geht es weiter mit dem Projekt?
“Wir fahren in der Regel [...] einmal im Monat [in die Ukraine]”, berichtet David, glaubt aber auch, dass sie die Fahrten perspektivisch wieder intensivieren müssen. Die augenscheinlichen Herausforderungen bei ihrem Engagement seien dagegen gar keine gewesen. Natürlich gab es zum Beispiel bürokratische Vorgaben zur Fracht: Die Waren, die sie ins Land bringen wollten, mussten selbstverständlich vorher angemeldet werden. Aber er meint dazu: “Das war für uns keine Hürde.” Sein Team war bestens vorbereitet - sie wussten um die Anmeldungen ihrer Fahrt und ihrer Fracht und schlossen sich eben deswegen einer anderen Organisation an. An der Grenze trafen sie zudem auf fähige Sprachmittler:innen und Helfer:innen, die ihnen zum Beispiel Unterstützung beim Entladen der Transporter boten.
David erwähnt, dass inzwischen leider die Spendenbereitschaft nachlasse. Er bemerke außerdem einen zivilgesellschaftlichen Wandel - der Unmut über die Situation in der Bundesrepublik nehme zu, die breite Masse an Unterstützung ist geschrumpft.
Sein Wunsch, und auch der seines Teams, sei lediglich, dass sich dieser Wandel wieder rückgängig macht. Außerdem sollte es im Allgemeinen ohne große Planung, also kurzfristiger, möglich sein, Menschen aus der Ukraine zu holen, sodass Hilfsorganisationen und Initiativen schneller reagieren können.
Keine Einzelleistung
Der Erfolg ihrer Initiative geht eindeutig auf die vielen Menschen zurück, die daran mitgewirkt haben. Wie bei den meisten Projekten steckt dahinter keine Einzelperson, kein alleiniger Held, der alle Herausforderungen ohne größere Unterstützung meistert. David erzählt voller Dankbarkeit und Anerkennung von seiner Frau Diana, die alles mitträgt, was er anfängt. Sein Bruder Martin, der ihn auf den ersten Fahrten begleitet hat, und seine Kinder sind immer eine große Stütze. Ohne seinen Freund und Angestellten Mario, der wirklich auf jeder Fahrt dabei war, und seine Mitarbeiter Ronny und Marco, die ihm für diese Aufgaben immer den Rücken freihalten, wäre ein Engagement in der Größe gar nicht möglich gewesen. Und das Netzwerk reicht sogar bis nach Leipzig, denn Sebastian Schauer, der dort einen Kältebus betreibt, hat ebenfalls viel mit seinen Kontakten und persönlichem Know-how geholfen.
David erzählt, er könne von seinen Erfahrungen nichts Negatives mitnehmen. “Die Leute waren pünktlich, zuverlässig, souverän”, wie er meint. Der “Convoi of Hope” hat unter dem Strich 143 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geholt, über die Hälfte der geretteten Personen wurden von Bekannten in Empfang genommen. Sein Dank gilt besonders den Menschen in Halle. Manchmal grenzt es an ein kleines Wunder, dass so viele Leute und Unternehmen zusammenkommen, um etwas Gutes zu tun und einander zu unterstützen, wenn die Not groß ist.
Das ganze Projekt ist innerhalb kürzester Zeit aufgebaut worden und wahrscheinlich hat es so gut funktioniert, weil alle Menschen, die daran beteiligt waren, an sich und ihre Sache geglaubt haben. Probleme und Herausforderungen sind für sie keine unlösbaren Hindernisse und Helfen ein Grundbedürfnis. Für all die Menschen, die wegschauen, braucht es diese anderen Menschen, die hinschauen.